IWAK-Studie zeigt: Betriebe legten viel Augenmerk auf die Fachkräftesicherung
Wie ist der Mittelstand durch die Pandemie gekommen? Das hat das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) im Auftrag der Stabstelle Fachkräftesicherung in Hessen untersucht. Insbesondere die Bindung von Fachkräften war ein wichtiges Thema. Zwölf Betriebe aus verschiedenen Branchen haben hier besonders innovative Ansätze entwickelt. Die Staatssekretärin für Soziales und Integration, Anne Janz, hat sie dafür als „Betriebe des Monats“ ausgezeichnet.
FRANKFURT. Wie können wir unsere Fachkräfte während der Pandemie
an uns binden? Diese Frage stellen sich Geschäftsführerinnen und
Geschäftsführer sowie Führungskräfte im hessischen Mittelstand seit Beginn der
Pandemie. Die Voraussetzungen sind je nach Branche denkbar unterschiedlich:
Während für Betriebe in der Pflegebranche, die seit Anfang 2020 anhaltende
Dauerbelastung für das Personal im Vordergrund steht, geht es in Hotellerie und
Handel eher darum, wie die Fachkräfte trotz der pandemiebedingten
Betriebsschließungen gehalten werden können. Deshalb sind in den verschiedenen
Branchen unterschiedliche Strategien zur Fachkräftesicherung notwendig.
Um Betriebe bei der Fachkräftesicherung zu
unterstützen, hat die Stabstelle Fachkräftesicherung in Hessen des Hessischen
Ministeriums für Soziales und Integration das Institut für Wirtschaft, Arbeit
und Kultur (IWAK) beauftragt, erfolgreiche Strategien zu erforschen. Es wurden
verschiedene Branchen untersucht – vom Handwerk über die Physiotherapie bis hin
zur Kulturbranche. Dabei hat sich gezeigt, dass es durchaus Strategien gibt,
die auch branchenübergreifend funktionieren.
„Die Fachkräftesicherung liegt uns
besonders am Herzen. Denn die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Arbeits-,
Fach- und Führungskräfte sichern den sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand in
Hessen“, sagt Sozial- und Integrationsstaatssekretärin Anne Janz. „Mit unseren
intensiven Bemühungen zur Fachkräftesicherung stellen wir in Hessen die Weichen
für eine auch zukünftig gute und stabile Entwicklung von Wirtschaft und
Gesellschaft.“
Erfolgreiche Strategien zur
Fachkräftesicherung während der Pandemie
Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass
die Fachkräfte „an Bord“ bleiben, besteht in einer starken persönlichen
Führung, die vor allem im Mittelstand zu finden ist. „Ein klares Bekenntnis zum
Betrieb und zur Belegschaft ist das beste Mittel, um die Verunsicherung bei den
Beschäftigten in den Griff zu bekommen“, stellt Achim Kopp von KOPP
Schleiftechnik aus Lindenfels fest. „Als Chef muss man nahbar und jederzeit
ansprechbar sein, um dann schnell individuelle und praktische Lösungen zu
finden, das schafft Bindung“, bestätigt Timm Kremer von PhysioWorld aus
Frankfurt am Main. Dabei hilft es Betrieben, wenn sie schon vor der Pandemie
eine wertschätzende und verbindliche Betriebskultur etabliert hatten. Oliver
Fehl, Chef eines Handwerksbetriebs in der Gebäudetechnik aus Freiensteinau.
„Wir haben sehr von unserer wertebasierten Betriebskultur profitiert. Unsere
Beschäftigten wissen genau, was uns allen gemeinsam wichtig ist. Dadurch können
sie sich gut mit unserem Betrieb identifizieren.“
Große Bedeutung kommt einer offenen und
kontinuierlichen Kommunikation zu. „Die Belegschaften müssen wissen, woran sie
sind“, sagt Hilke Bärenfänger von ALMO, die im nordhessischen Bad Arolsen
Einmalspritzen herstellen. Wie sind Hygiene- und Abstandsregeln umzusetzen? Wie
verändert sich meine Arbeit? Auch über Zuständigkeiten muss gesprochen werden:
„Wir haben Pflegekräfte aus der Tagespflege, die jetzt im stationären Bereich
mitarbeiten. Dort brauchen wir sie dringend, und sie haben sich schnell auf die
veränderten Aufgaben eingelassen“, berichtet Manfred Maaß vom Pflegezentrum
„Mainterrasse“ in Hanau-Steinheim. Vertrauensbildend seien auch klare Aussagen
darüber, wo der Betrieb steht und wie es weitergehen kann, sagt Sebastian
Schlöndorf von der Musikzentrale in Gießen, der für 50 Dozenten seiner
Musikschule neue wirtschaftliche Perspektiven schafft.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben sich
viele Betriebe neu ausgerichtet oder neue Produkte und Dienstleistungen entwickelt
– besonders diejenigen, die ihre Arbeitskräfte trotz Betriebsschließung nicht
nach Hause geschickt haben. Dabei spielte die langjährige betriebliche
Erfahrung eine wichtige Rolle. „Wir haben unser Hotel völlig neugestaltet, mit
viel Engagement unserer Beschäftigten“, sagt Lukas Frankfurth, der das
Parkhotel Emstaler Höhe in Nordhessen in dritter Generation führt. Oft werden
in Betrieben Projekte initiiert, in welchen Beschäftigte aus ihrer
betrieblichen Erfahrung heraus neue Konzepte oder Dienstleistungen entwickeln.
„Das hat sich bei uns klar bewährt“, sagt Maike Sippmann, Personalleiterin bei
R.S.I. Blitzschutzsysteme aus Heppenheim in Südhessen. „Wir haben gemeinsam mit
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Lieferservice, einen Verkauf im Freien
und die telefonische Kundenberatung aufgebaut“, sagt Jens Jonsson,
Geschäftsführer von Fleischhandwerk in Kassel. Ebenfalls auf die Kompetenzen
der Beschäftigten baut die Jugendwerkstatt Felsberg, ein Bildungsträger aus
Nordhessen. Gleich zu Beginn der Pandemie wurde dort eine interne Taskforce
E-Learning gebildet. „Damit konnten schnell hybride und digitale Lernangebote
entwickelt werden“, sagt Jutta Inauen aus der Geschäftsführung der
Jugendwerkstatt.
Wesentlich für die Fachkräftesicherung ist
auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. „Die Schließung von Schulen
und Kindergärten hat gezeigt, dass wir als Arbeitgeber hier in der Pflicht
sind“, sagt Jochen Blöcher, Geschäftsführer von Blöcher Network Solutions in
Dillenburg. Im Betrieb gibt es eine U3-Betreuung und der hohe
Digitalisierungsgrad ermöglicht zeitlich und räumlich flexibles Arbeiten. Dabei
darf der fachliche und soziale Austausch nicht zu kurz kommen. Der liegt auch
Claudia Lässig am Herzen, deren Betrieb in Babenhausen Produkte für Kinder
herstellt: „Unsere virtuelle Kaffeeküche ist in der Pandemie zu einem wichtigen
sozialen Ort geworden.“
Auszeichnung „Betrieb des Monats“
Die Stabstelle Fachkräftesicherung in
Hessen hat aus den in die Forschung einbezogenen Betrieben zwölf Mittelständlerinnen
und Mittelständler aus verschiedenen Branchen ausgesucht. „In diesen Betrieben
wurden besonders innovative und zukunftsweisende Strategien zur
Fachkräftesicherung entwickelt“, sagt Anne Janz, Staatssekretärin für Soziales
und Integration. Damit auch andere Betriebe davon profitieren können, hat das
Hessische Ministerium für Soziales und Integration Videos erstellen lassen, in
welchen die ausgewählten Betriebe ihre Aktivitäten, Ideen und Strategien
vorstellen (https://hessenlink.de/HMSI197). Zudem wurde das Engagement der zwölf Betriebe mit
dem Titel „Betrieb des Monats“ ausgezeichnet.
Betriebe des Monats: Lässig, Babenhausen, Kreis Darmstadt-Dieburg (August 2020), Fehl und Sohn Gebäudetechnik, Freiensteinau, Landkreis Fulda (September 2020), R.S.I. Blitzschutzsysteme, Heppenheim, Kreis Bergstraße (Oktober 2020), KOPP Schleiftechnik, Lindenfels, Kreis Bergstraße (November 2020), Pflegezentrum Steinheim „Mainterrasse“, Hanau-Steinheim, Main-Kinzig-Kreis (Dezember 2020), Blöcher Network Solutions, Dillenburg, Lahn-Dill-Kreis (Januar 2021), PhysioWorld, Frankfurt am Main (Februar 2021), Jens Jonsson Fleischhandwerk, Kassel (März 2021), Jugendwerkstatt Felsberg, Felsberg, Schwalm-Eder-Kreis (April 2021), ALMO Erzeugnisse, Bad Arolsen, Kreis Waldeck-Frankenberg (Mai 2021), Musikzentrale, Gießen-Wetzlar (Juni 2021), Parkhotel Emstaler Höhe, Bad Emstal, Landkreis Kassel (Juli 2021)
Am Freitag, 3. September 2021, 15 Uhr bis 17 Uhr, lädt Staatssekretärin Anne Janz die zwölf ausgezeichneten Betriebe zu einer Feier mit Urkundenübergabe ein. Medienvertreterinnen und Medienvertreter sind dazu herzlich eingeladen. Das Programm der Feier finden Sie unter: www.iwak-frankfurt.de/wp-content/uploads/2021/08/Programm-Feier.pdf.
Für Anmeldung und Interviewanfragen wenden
Sie sich bis 31. August bitte an: Dr. Christa Larsen (E-Mail: c.larsen@em.uni-frankfurt.de, Tel.: 069-798 22152) oder presse@hsm.hessen.de.