Bidirektionale Bindung und Freisetzung von Wasserstoff in Bioreaktor
Einem Team von Mikrobiologen der Goethe-Universität ist es gelungen, mit Hilfe von Bakterien Wasserstoff kontrolliert zu speichern und wieder abzugeben. Auf der Suche nach CO2-neutralen Energieträgern im Interesse des Klimaschutzes ist dies ein wichtiger Schritt. Das entsprechende Paper ist nun in der renommierten Fachzeitschrift „Joule“ erschienen.
FRANKFURT. Der
Kampf gegen den Klimawandel macht die Suche nach CO2-neutralen
Energieträgern immer dringlicher. Grüner Wasserstoff, der mit Hilfe von
erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Solarenergie aus Wasser gewonnen wird,
ist einer der Hoffnungsträger. Allerdings sind Transport und Speicherung des
hochexplosiven Gases schwierig und weltweit suchen Forschende nach
chemischen und biologischen Lösungen. Ein Team von Mikrobiologen der
Goethe-Universität haben in Bakterien, die unter Luftabschluss leben, ein Enzym
gefunden, das Wasserstoff direkt an CO2 bindet und damit
Ameisensäure herstellt. Dieser Prozess ist vollkommen reversibel, eine
Grundvoraussetzung für eine Wasserstoffspeicherung. Diese acetogenen Bakterien,
die zum Beispiel in der Tiefsee vorkommen, ernähren sich von Kohlendioxid, das
sie mithilfe von Wasserstoff zu Ameisensäure verstoffwechseln. Normalerweise
ist diese Ameisensäure aber nur ein Zwischenprodukt ihres Stoffwechsels, das
weiter zu Essig und Ethanol verdaut wird. Doch das Team um den Leiter der
Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik Prof. Volker Müller hat die
Bakterien so angepasst, dass dieser Prozess nicht nur auf der Stufe der
Ameisensäure gestoppt, sondern auch rückabgewickelt werden kann. Das
Grundprinzip ist bereits seit 2013 patentiert.
„Die gemessenen Raten der CO2-Reduktion zu Ameisensäure
und zurück sind die höchsten je gemessenen und sie sind um ein Vielfaches größer
als bei anderen biologischen oder chemischen Katalysatoren; die Bakterien
benötigen für die Reaktion auch nicht wie die chemischen Katalysatoren seltene
Metalle und keine extremen Bedingungen wie hohe Temperaturen und hohe Drücke,
sondern erledigen den Job bei 30 °C und Normaldruck“, berichtet Müller. Nun
vermeldet die Gruppe einen neuen Erfolg, die Entwicklung einer Biobatterie zur
Wasserstoffspeicherung mit Hilfe der genannten Bakterien.
Für eine kommunale oder häusliche Wasserstoffspeicherung ist ein
System sinnvoll, bei dem die Bakterien in ein und demselben Bioreaktor zunächst
Wasserstoff speichern und dann wieder freisetzen, möglichst stabil über einen
langen Zeitraum. Fabian Schwarz, der im Labor von Prof. Müller seine
Doktorarbeit zu diesem Thema geschrieben hat, ist die Entwicklung eines solchen
Bioreaktors gelungen. Er hat die Bakterien acht Stunden mit Wasserstoff
gefüttert und sie dann während einer 16-stündigen Nachtphase auf eine
Wasserstoff-Diät gesetzt. Die Bakterien haben den Wasserstoff daraufhin
vollständig wieder freigesetzt. Die ungewollte Bildung von Essigsäure konnte
durch gentechnische Verfahren eliminiert werden. „Das System lief für
mindestens zwei Wochen ausgesprochen stabil“ erklärt Fabian Schwarz, der sich
freut, dass diese Arbeiten zur Veröffentlichung in „Joule“, einem angesehenen
Journal für chemische und physikalische Verfahrenstechnik, angenommen wurde.
„Dass Biologen in diesem hochkarätigen Journal publizieren, ist eher
ungewöhnlich“, freut sich Schwarz.
Volker Müller hat sich schon in seiner Doktorarbeit mit den
Eigenschaften dieser speziellen Bakterien befasst – und jahrelang
Grundlagenforschung dazu betrieben. „Ich habe mich dafür interessiert, wie
diese ersten Organismen ihre Lebensvorgänge organisiert haben und wie sie es
schaffen, unter Luftabschluss mit einfachen Gasen wie Wasserstoff und
Kohlendioxid zu wachsen“, erklärt er. Durch den Klimawandel gewann seine
Forschung eine neue, anwendungsorientierte Dimension. Die Biologie biete – für
viele Ingenieure überraschend – durchaus praktikable Lösungen an.
Publikation: Fabian
M. Schwarz, Florian Oswald, Jimyung Moon, Volker Müller: Biological
hydrogen storage and release through multiple cycles of bi-directional
hydrogenation of CO2 to formic acid in a single process unit. Joule (2022)
https://doi.org/10.1016/j.joule.2022.04.020
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/119545783
Bildtext: Modell einer möglichen bakteriellen Wasserstoffspeicherung:
Während des Tages wird mit Hilfe einer Solaranlage Strom erzeugt, der dann die
Hydrolyse von Wasser antreibt. Der dadurch erzeugte Wasserstoff wird durch die
Bakterien an CO2 gebunden und dadurch Ameisensäure gebildet. Diese
Reaktion ist frei reversibel, und die Richtung der Reaktion wird nur durch die
Konzentration der Ausgangsstoffe und Endprodukte gesteuert. Während der Nacht
sinkt die Wasserstoffkonzentration im Bioreaktor und die Bakterien beginnen,
den Wasserstoff aus Ameisensäure wieder freizusetzen. Der freigesetzte
Wasserstoff kann dann als Energiequelle genutzt werden.
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Volker Müller
Sprecher der Forschergruppe 2251
Abteilung Molekulare Mikrobiologie & Bioenergetik
Institut für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 (0)69 798-29507
vmueller@bio.uni-frankfurt.de