Fehler in der Gensteuerung ist für hohes Leukämiekrebsrisiko bei Kindern mit Down-Syndrom verantwortlich – biochemische Analyse schafft Grundlage für Therapieentwicklung
Menschen mit einem dritten Chromosom 21, einer so genannten Trisomie 21, erkranken mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer aggressiven Form des Blutkrebses, der Akuten Myeloischen Leukämie (AML). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Federführung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt haben jetzt die Ursache dafür aufgedeckt: Das zusätzliche Chromosom 21 führt zwar zu einer Veränderung vieler Gene, doch scheint vor allem die Störung des so genannten RUNX1-Gens für die AML-Entstehung verantwortlich zu sein, eines Gens, dass viele weitere Gene reguliert. Die gezielte Behandlung des gestörten Regulators könnte den Weg für neue Therapien ebnen.
FRANKFURT.
Blutkrebs, sogenannte Leukämien, sind bösartige und aggressive Erkrankungen der
blutbildenden Zellen im Knochenmark. Heilung kann nur durch eine sehr intensive
Chemotherapie und teilweise durch Knochenmarktransplantation erzielt werden.
Leukämien gehen wie alle Krebsarten auf Veränderungen des Erbmoleküls DNA zurück,
das in menschlichen Zellen in Form von 46 Chromosomen vorliegt. Bei vielen
Leukämien sind große Teile von Chromosomen verändert. Sehr gefährdet sind
Menschen mit Down-Syndrom, bei denen das Chromosom 21 dreimal vorkommt
(Trisomie 21): Kinder mit Down-Syndrom haben in ihren ersten vier Lebensjahren
ein 100-fach erhöhtes Risiko, an der aggressiven Akuten Myeloischen Leukämie
(AML) zu erkranken. Das Down-Syndrom ist die häufigste angeborene
Generkrankung, etwa eines von 700 Neugeborenen ist davon betroffen.
Transkriptionsfaktor RUNX1 ist verantwortlich
Die Arbeitsgruppe von Prof. Jan-Henning Klusmann, Direktor der
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt, hat nun
herausgefunden, wie das zusätzliche Chromosom 21 AML begünstigen kann. Mit
Hilfe einer Genschere (CRISPR-Cas9) haben sie jedes der 218 Gene auf dem
Chromosom 21 auf seine krebsfördernde Wirkung untersucht. Dabei stellte sich
heraus, dass das Gen RUNX1 für die spezifischen krebsbegünstigenden
Eigenschaften des Chromosoms verantwortlich ist. In weiteren Analysen konnten
die Forscher:innen nachweisen, dass nur eine bestimmte Variante des Gens die
Entstehung einer Leukämie befördert. Klusmann erläutert: „Andere Varianten von
RUNX1 waren sogar in der Lage, die Entartung der Zellen zu verhindern. Das
erklärt, warum RUNX1 in mehreren Jahrzehnten intensiver Krebsforschung bislang
nicht aufgefallen ist.“
Das Gen RUNX1 codiert für ein Protein, das die Aktivität anderer
Gene steuert, einen so genannten Transkriptionsfaktor. RUNX1 reguliert viele
Prozesse, einschließlich der embryonalen Entwicklung und der frühen und späten
Blutbildung. Die Störung dieses wichtigen Regulators ist daher ein
Schlüsselereignis in der Entwicklung einer AML. „Dank unserer
Forschungsergebnisse können wir nun die Ereignisse bei der Leukämieentstehung
besser verstehen“, erklärt Klusmann. „Die Studie unterstreicht, wie wichtig es
ist, alle Genvarianten bei der Krebsentstehung zu untersuchen. Die Bildung
dieser Varianten ist häufig durch bestimmte Mutationen in Krebszellen
verändert“, so der Kinderonkologe.
Entwicklung verfeinerter Therapieansätze
Die Forschungsresultate seien wichtig, um die komplexen
Mechanismen der Krebsentstehung besser zu verstehen, erläutert Klusmann: „Wir
haben damit die Grundlage für die Entwicklung verfeinerter Behandlungsansätze
gelegt. Durch unsere biochemische Untersuchungen wissen wir nun, wie genau die
Genvariante die Blutzellen verändert. Daraufhin konnten wir spezifische
Substanzen einsetzen, die den Krankheitsmechanismus blockieren.“ Die Wirkung
dieser Substanzen soll nun für die Umsetzung in der medizinischen Versorgung
weiter untersucht werden. Klusmann: „Basierend auf unserer Expertise wollen wir
nun Therapien zur Korrektur dieser Fehlsteuerung entwickeln. Deren klinischer Einsatz
wird sicherlich noch einige Jahre dauern, aber sie werden hoffentlich dazu
führen, dass unseren kleinen Patientinnen und Patienten in Zukunft schwere
Chemotherapien erspart bleiben.“
Publikation: Gialesaki S, Bräuer-Hartmann D, Issa H, Bhayadia R, Alejo-Valle O,
Verboon L, Schmell AL, Laszig S, Regenyi EM, Schuschel K, Labuhn M, Ng M,
Winkler R, Ihling C, Sinz A, Glaß M, Hüttelmaier S, Matzk S, Schmid L, Strüwe
FJ, Kadel SK, Reinhardt D, Yaspo ML, Heckl D, Klusmann JH. RUNX1 isoform disequilibrium promotes the development of trisomy 21
associated myeloid leukemia. Blood (2023) https://doi.org/10.1182/blood.2022017619
Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/131982088
Bildtext 1: Prof. Dr. med. Jan-Henning Klusmann, Universitätsklinikum
Frankfurt. Foto: Klaus Waeldele, Universitätsklinikum Frankfurt
https://www.uni-frankfurt.de/131981757
Bildtext 2: Knochenmarkausstrich eines Kindes mit Down-Syndrom, das an einer
Leukämie erkrankt ist. Die violett gefärbten unreifen Leukämiezellen (Blasten)
verdrängen die normale Blutbildung. Foto: Jan Klusmann, Universitätsklinikum
Frankfurt
Weitere Informationen
Prof.
Dr. med. Jan-Henning Klusmann
Direktor
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: +49 69 6301-5094
kkjm-direktor@kgu.de
www.kgu.de
www.leukemia-research.de
Twitter:
@UK_Frankfurt @goetheuni