Neues Licht auf die Rolle des Tumorsuppressors pVHL
Der Transforming Growth Factor beta (TGF-ß) ist ein Signalprotein, dessen Fehlregulation Entwicklungsstörungen und Krebs hervorrufen kann. Forschende um Dr. Xinlai Cheng von der Goethe-Universität Frankfurt haben herausgefunden, wie ein Tumorsuppressor mit der Kurzbezeichnung pVHL die Signalübertragung mittels TGF-ß beeinflusst. Ihre Erkenntnisse liefern mögliche Ansatzpunkte für neue Medikamente.
FRANKFURT/HEIDELBERG. Die Signalübertragung in Zellen ist eine
komplexe Angelegenheit. So reguliert TGF-ß viele Zellfunktionen während der
Entwicklung von Mensch und Tier, aber auch im erwachsenen Organismus. Wie das
im Detail funktioniert, ist nur unvollständig bekannt. Klar ist, dass sich aktiviertes
TGF-ß zunächst an Rezeptoren bindet, die sich an der Zelloberfläche befinden. Die
TGF-ß-Rezeptoren wiederum aktivieren in der Zelle ein Protein namens SMAD3.
Dieses lagert sich dann mit SMAD4 zusammen und wandert gemeinsam mit ihm in den
Zellkern. Dort beeinflussen die SMAD-Proteine, in welchem Ausmaß Gene angeschaltet
und in Proteine und andere Genprodukte übersetzt werden.
Forschende der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität Heidelberg,
des Deutschen Krebsforschungszentrums sowie der Universitätskliniken Heidelberg
und Jena haben nun herausgefunden, wie der Von-Hippel-Tumorsuppressor (pVHL) in
diesen Signalweg eingreift. Tumorsuppressoren sind Proteine, deren Defekt oder
Mangel in einem vielzelligen Organismus mit einem hohen Risiko einhergeht, dass
Zellen zu Tumorzellen entarten. Die Wissenschaftler berichten im „Journal of
Cell Biology“ über den erstmaligen Nachweis, dass pVHL das SMAD3-Protein abbaut.
Dies geschieht bereits, bevor sich SMAD3 und SMAD4 verbinden. pVHL hemmt somit
die Signalkette, die von aktiviertem TGF-ß ausgeht. „Diesen Nachweis konnten wir
sowohl in Kulturen menschlicher Zellen als auch an Taufliegen der Gattung
Drosophila erbringen“, sagt Letztautor Dr. Xinlai Cheng. „Das spricht dafür,
dass pVHL schon sehr früh in der Evolution die regulierende Funktion übernommen
hat, die wir nun aufgedeckt haben.“
Xinlai Cheng ist seit 2019 Leiter einer Nachwuchsgruppe am
Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften der Goethe-Universität. Begonnen
hatte er die Untersuchungen am Institut für Pharmazie und Molekulare
Biotechnologie der Universität Heidelberg. Sein Mentor Prof. Stefan Wölfl erläuterte
eine wichtige Erkenntnis, die sich aus dem gefundenen Zusammenhang zwischen
pVHL und dem TGF-ß-Signalweg ergibt: „pVHL ist bekanntermaßen daran beteiligt,
wie Zellen Sauerstoff gleichsam fühlen und auf dessen unterschiedliche
Verfügbarkeit reagieren. Somit beeinflusst die Versorgung von Zellen mit
Sauerstoff auch die TGF-ß Signalübertragung.“
Die Entdeckung der Forschenden bietet neue Chancen für die
Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs. „Könnte man beispielsweise mit einem
Wirkstoff die pVHL-Aktivität gezielt regulieren, so würde man darüber auch den
TGF-ß Signalweg beeinflussen, der wiederum eine große Rolle bei der Bildung von
Tumoren und speziell von Metastasen spielt“, sagt Xinlai Cheng. Tumorzellen
können sich gut an ihre Umgebung im Organismus und an unterschiedliche
Sauerstoffverfügbarkeiten anpassen. Dabei hilft ihnen, dass sie in ihrer
zellulären Aktivität sehr flexibel sind. Diese Aktivität wird unter anderem
durch den TGF-ß-Signalweg reguliert.
Publikation: Jun Zhou, Yasamin
Dabiri, Rodrigo A. Gama-Brambila, Ghafoory Shahrouz, Mukaddes Altinbay, Arianeb
Mehrabi, Mohammad Golriz, Biljana Blagojevic, Stefanie Reuter, Kang Han, Anna
Seidel, Ivan Dikic, Stefan Wölfl, Xinlai Cheng: pVHL-mediated SMAD3 degradation suppresses TGFß signalling. Journal of Cell Biology (2022) 221 (1): e202012097 https://doi.org/10.1083/jcb.202012097
Bild
zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/112400017
Bildtext: Gefärbtes Lebergewebe
zeigt das komplementäre Vorkommen von pVHL und SMAD-Proteinen: Wo pVHL (grün)
reichlich zu sehen ist, gibt es SMAD2/3 selten und umgekehrt. Die Zellkerne
sind blau gefärbt. Im Bild unten rechts sind alle drei Farben überlagert.
Fotos: Xinglai Cheng/ Goethe University