Unter der Leitung von Informatiker Prof. Thomas Lippert soll mit dem Gerät der zukunftsweisende Weg zum Quantencomputing beschritten werden.
FRANKFURT. Die Goethe-Universität wird in Kürze ihren ersten Quantencomputer installieren und sich damit in die Spitzengruppe der deutschen Universitäten im Bereich des angewandten Quantencomputing einreihen: Der Frankfurter Erstling mit dem Namen „Baby Diamond“ startet als Pilotsystem mit fünf Qubits und beruht auf der Technologie der Stickstoff-Fehlstellen in einem künstlichen Diamanten. Es soll im ersten Quartal 2024 vom Ulmer Start-Up XeedQ GmbH geliefert werden. Pilotnutzer:innen werden aus der Goethe-Universität und dem Verbund der Nationalen Höchstleistungsrechner NHR erwartet.
Das Thema Quantencomputing ist derzeit in
aller Munde als eine Zukunftstechnologie, die verspricht, bisher zu große oder
gar mit digitalen Verfahren unlösbare Aufgaben im Bereich der
Computersimulation und der KI bewältigen zu können. „Mit unserem neuen
Pilot-Quantencomputer machen wir einen wichtigen Schritt in dieses
revolutionäre Gebiet, dem bald weitere folgen werden,“ erklärt Prof. Enrico
Schleiff, Präsident der Goethe-Universität. „Baby Diamond wird uns einen ersten
Blick in eine Zukunft werfen lassen, in welcher große rechnerische
Herausforderungen möglich werden, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen
können“.
Ulrich Schielein, Chief Information Officer
(CIO) und Vizepräsident für Digitalisierung an der Goethe-Universität, ergänzt:
„Die Behandlung völlig neuer Problemklassen aus der Finanzwelt, der Logistik im
Schienen-, Luft- und Straßenverkehr, der Medizin und Biologie, der Wetter- und
Klimaforschung, aber auch aus den Grundlagenwissenschaften wie Physik und
Chemie oder dem Training von Basismodellen der künstlichen Intelligenz scheint
in wenigen Jahren realisierbar zu sein. Wir bauen dabei auch auf die
Zusammenarbeit mit Forschenden hier im Raum Rhein-Main als auch mit hier
ansässigen Unternehmen und Institutionen.“
Der Quantencomputer nutzt einen kleinen
künstlichen Diamanten, wie er aus industriellen Anwendungen bekannt ist, in den
Stickstoffatome eingebettet sind. Sie induzieren jeweils eine Fehlstelle, die
als zentrales Qubit verwendet werden kann. Spins von Atomen können als weitere
Qubits um diesen Defekt herum kontrolliert werden. Dies macht praktisches
Quantencomputing möglich.
„Mit unserem Einstiegssystem verfolgen wir
die Idee des kompakten Quantencomputers, der bereits bei Raumtemperatur
einsetzbar ist, keine besondere Tieftemperaturkühlung benötigt, in einem
kleinen Labor aufgebaut werden kann und dabei besonders energieeffizient ist“,
sagt Prof. Thomas Lippert, Leiter der Arbeitsgruppe Modulares Supercomputing
und Quantencomputing, die im Sommer 2020 im Fachbereich Informatik und
Mathematik der Goethe-Universität eingerichtet wurde. „Als Universität stellen
wir uns mit dem Quantencomputer bewusst gegen die derzeitige Monopolbildung
großer Firmen auf, die ihre Systeme hinter Paywalls verstecken. Da es ein
Kompaktsystem ist, können wir bereits heute Studierende hands-on und direkt am
Gerät ausbilden. Dies ist das Gebot der Stunde, um fit für die Zukunft zu
werden.“
Der Quantencomputer ist Teil der
Frankfurter Roadmap, die darauf abzielt, bis zum Jahr 2025 bis zu 16
hochwertige Qubits zu beschaffen und diese Zahl in Zukunft Schritt für Schritt
weiter zu erhöhen. Das Pilotsystem wird dazu beitragen, eine Infrastruktur an
der Goethe-Universität in Zusammenarbeit mit dem NHR-Netzwerk aufzubauen, die
das Quantenrechnen eng mit dem Hochleistungsrechnen verbinden wird. In diesem
Zusammenhang konnte die Goethe-Universität das Forschungszentrum Jülich mit
seiner JUNIQ Quantencomputing-Infrastruktur als wissenschaftlichen Partner
gewinnen, der weltweit Vorreiter im modularen hybriden Quanten-HPC-Rechnen ist.
Entwickelt wird das System von der XeedQ
GmbH, einem Unternehmen mit Sitz in Leipzig und am DLR-Innovationszentrum in
Ulm. XeedQ GmbH wird von der Quantencomputer-Initiative des DLR gefördert, um
eine skalierbare Quantencomputertechnologie zu entwickeln. Quantencomputing
wird oft als zweite Quantenrevolution bezeichnet. Der Quantencomputer der
Goethe-Universität wird auf dem historischen Gelände des Campus Bockenheim stehen,
wo vor mehr als 100 Jahren das berühmte Experiment von Stern und Gerlach die
heutige Grundlage des Quantencomputing geschaffen hat und ein wichtiger Teil
der ersten Quantenrevolution war. Mit seinem Baby Diamond ebnet die
Goethe-Universität den Weg, um neue Quantenrevolutionen wieder nach Frankfurt
am Main zu bringen.
Weitere Informationen:
Prof.
Thomas Lippert, Professor für modulares Supercomputing und Quantencomputing,
Institut für Informatik, Goethe-Universität Frankfurt. t.lippert@em.uni-frankfurt.de