Internationales Forschungsteam aus Deutschland, Österreich, Kanada, den Niederlanden und den USA wendet neues Verfahren zur Karbonat-Analyse auf Eierschalen von Dinosauriern, Reptilien und Vögeln an
Troodon,
ein mit heutigen Vögeln eng verwandter Dinosaurier, war zwar ein Warmblüter.
Sein Fortpflanzungssystem jedoch ähnelte dem von Reptilien. Dies hat ein internationales
Forschungsteam unter Leitung der Goethe-Universität Frankfurt jetzt
festgestellt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wandten eine neue
Methode zur genauen Bestimmung der Temperatur an, bei der die Kalkschalen der
Dinosauriereier gebildet wurden. Außerdem zeigten die Forschenden, dass ein
Troodon-Gelege vier bis sechs Eier umfasste. Da Nester mit bis zu 24 Eiern
gefunden wurden, schließen die Forschenden, dass mehrere Troodon-Weibchen ihre
Eier in Gemeinschaftsnester legten.
FRANKFURT. In Millionen von Jahren und als Folge
vieler kleiner Veränderungen entwickelte sich eine bestimmte Gruppe von
Dinosauriern, die Theropoden, zu den Vögeln, die wir heute auf unserem Planeten
fliegen sehen. Vögel sind damit die einzigen Nachfahren der Dinosaurier, die
das katastrophale Aussterben überlebten, das vor 66 Millionen Jahren die
Kreidezeit beendete.
Troodon war ein solcher Theropode. Der fleischfressende Dinosaurier
war etwa zwei Meter lang und bevölkerte vor etwa 75 Millionen Jahren die weiten,
halbtrockenen Landschaften Nordamerikas. Wie einige seiner
Dinosaurier-Verwandten besaß Troodon einige vogelähnliche Merkmale wie hohle
und leichte Knochen. Troodon bewegte sich auf zwei Beinen fort und hatte voll
entwickelte, gefiederte Flügel. Da er jedoch recht groß war, konnte er nicht
fliegen. Stattdessen lief er wahrscheinlich recht schnell und fing seine Beute
mit seinen starken Krallen. Troodon-Weibchen legten Eier, die mehr den
asymmetrischen Eiern moderner Vögel glichen als den runden Eiern von Reptilien,
den ältesten Verwandten aller Dinosaurier. Die Troodon-Eier waren gefärbt und wurden
halb in den Boden eingegraben aufgefunden. Sie wurden von Troodon wahrscheinlich
sitzend bebrütet.
Ein internationales Wissenschaftsteam um Dr. Mattia Tagliavento
und Prof. Jens Fiebig von der Goethe-Universität Frankfurt hat nun das
Kalziumkarbonat einiger gut erhaltener Troodon-Eierschalen untersucht. Die
Forscher nutzten dafür eine von Fiebigs Arbeitsgruppe im Jahr 2019 entwickelte
Methode, die „dual clumped isotope thermometry“. Damit konnten sie messen,
inwieweit schwere Elementvarianten (Isotope) von Sauerstoff und Kohlenstoff im Karbonat
nebeneinander gruppiert vorkommen. Das Ausmaß dieser „Isotopengruppierung“ ist
temperaturabhängig und ermöglichte es daher den Wissenschaftlern, die
Temperatur zu bestimmen, bei der die Karbonate kristallisierten.
Bei der Analyse der Troodon-Eierschalen stellte das Forscherteam fest,
dass diese bei Temperaturen von 42 und 30 Grad Celsius gebildet wurden. Mattia
Tagliavento, Erstautor der Studie, erklärt: "Die Isotopenzusammensetzung
der Troodon-Eierschalen zeigt, dass diese ausgestorbenen Tiere eine
Körpertemperatur von 42°C hatten und in der Lage waren, diese auf etwa 30°C zu
senken, wie moderne Vögel."
Um herauszufinden, ob Troodon modernen Vögeln oder Reptilien
ähnlicher war, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Isotopenzusammensetzung
der Eierschalen verschiedener Reptilien (Krokodil, Alligator und verschiedene
Schildkrötenarten) und Vögel (Huhn, Spatz, Zaunkönig, Emu, Kiwi, Kasuar und
Strauß). Sie fanden zwei unterschiedliche Isotopenmuster: Die Schalen von
Reptilieneiern haben eine Isotopenzusammensetzung, die einer Bildung bei der Umgebungstemperatur
entspricht. Dies rührt daher, dass die Tiere kaltblütig sind und ihre Eier
langsam bilden. Bei Vögeln hingegen ist eine sogenannte „nicht-thermische
Signatur“ in der Isotopenzusammensetzung erkennbar, die darauf hindeutet, dass
die Eierschalenbildung sehr schnell erfolgt. Tagliavento: „Wir glauben, dass
diese sehr hohe Produktionsrate damit zusammenhängt, dass Vögel im Gegensatz zu
Reptilien nur einen Eierstock haben. Da sie jeweils nur ein Ei nach dem anderen
produzieren können, müssen Vögel dies schneller tun“.
In den Troodon-Eierschalen konnten die Forscher die für Vögel typische
Isotopenzusammensetzung nicht feststellen. Tagliavento ist überzeugt: „Dies
zeigt, dass Troodon seine Eier auf eine Weise gebildet hat, die eher mit der moderner
Reptilien vergleichbar ist, und es deutet darauf hin, dass sein
Fortpflanzungssystem noch aus zwei Eierstöcken bestand.“
Unter der zusätzlichen Berücksichtigung des bereits bekannten
Körper- und Eierschalengewichts von Troodon berechneten die Forscherinnen und
Forscher anhand ihrer Analysen, dass Troodon nur 4 bis 6 Eier pro Fortpflanzungsphase
produzierte. „Diese Beobachtung ist besonders interessant, weil Troodon-Nester
normalerweise groß sind und bis zu 24 Eier enthalten“, erklärt Tagliavento. „Wir
denken, dass dies ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass Troodon-Weibchen ihre
Eier in Gemeinschaftsnester legten. Ein solches Verhalten beobachten wir
heutzutage bei modernen Straußen.“
Dies seien sehr spannende Erkenntnisse, findet Jens Fiebig: „Ursprünglich
haben wir die ‚dual clumped isotope'-Thermometrie entwickelt, um die
Temperaturen der Erdoberfläche vergangener geologischer Epochen genau zu
rekonstruieren. Unsere neue Untersuchung zeigt, dass unsere Methode nicht nur
eine zuverlässige Rekonstruktion der Temperatur erlaubt, sondern auch ermöglicht
zu untersuchen, wie sich die Biomineralisierung von Karbonaten im Laufe der
Erdgeschichte entwickelt hat.“
Publikation: Mattia Tagliavento, Amelia J. Davies, Miguel Bernecker, Philip T. Staudigel, Robin R. Dawson, Martin Dietzel, Katja Goetschl, Weifu Guo, Anne S. Schulp, François Therrien, Darla K. Zelenitsky, Axel Gerdes, Wolfgang Müller, Jens Fiebig: Evidence for heterothermic endothermy and reptile-like eggshell mineralization in Troodon, a non-avian maniraptoran theropod. PNAS (2023) https://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.2213987120
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/134845598
Bildtext: So könnte es ausgesehen
haben: Zwei Troodons mit einem gemeinsamen Nest. Bild:
Alex Boersma/PNAS
Beteiligte
Partner:
Institute of Geosciences, Goethe
University Frankfurt, Germany
Frankfurt Isotope and Element Research Center (FIERCE), Goethe University
Frankfurt, Germany.
Institute of Applied Geosciences, Graz University of Technology, Austria.
Royal Tyrrell Museum of Palaeontology, Drumheller, Canada.
Department of Geoscience, University of Calgary, Canada.
Naturalis Biodiversity Center, Leiden, the Netherlands
Department of Earth Sciences, Universiteit Utrecht, the Netherlands
Department of Geosciences, University of Massachusetts, USA
Morrill Science Center, Amherst, USA
Department of Geology and Geophysics, Woods Hole Oceanographic Institution, USA
Hintergrund:
Thermometer
für die Erdgeschichte: „Dual clumped isotope“-Methode zur Karbonatanalyse (2020)
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/geowissenschaften-exakte-klimadaten-aus-der-vergangenheit/
Weitere Informationen:
Goethe-Universität
Frankfurt
Institut
für Geowissenschaften
Dr. Mattia Tagliavento
Tel. +49 176 64735849
Tagliavento@geo.uni-frankfurt.de
apl. Prof. Dr. Jens Fiebig
Tel: +49 (0) 69 798 40182
Jens.Fiebig@em.uni-frankfurt.de
Naturalis Biodiversity Center und Utrecht University,
Leiden/Utrecht, Niederlande
Prof. Dr. Anne S. Schulp (Englisch, Deutsch, Niederländisch)
Tel: +31 6 51229317
anne.schulp@naturalis.nl / a.s.schulp@uu.nl
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Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent
für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de