Interdisziplinäre Vorlesungsreihe stellt das Aufgabenfeld moderner Rechtsmedizin vor
FRANKFURT. Plötzlicher Herztod, häusliche Gewalt, spektakuläre Todesfälle – die neue Vortragsreihe „Interdisziplinäre Rechtsmedizin“ erklärt, warum das Fach nicht nur mit Recht und Medizin zu tun hat. Denn um Vaterschaftstests erfolgreich durchzuführen, DNA-Spuren bei Kriminalfällen richtig zu diagnostizieren und Todesursachen zu klären, braucht es interdisziplinäre Teams. „In unserem Institut arbeiten Mediziner, Pharmazeuten, Molekularbiologen, Botaniker, Chemiker, Physiker und Juristen zusammen“, erklärt Marcel A. Verhoff, Direktor des Rechtmedizinischen Instituts am Universitätsklinikum Frankfurt. Expertise werde aber noch von weitaus mehr Disziplinen angefragt – etwa der Psychologie, Sozialwissenschaft, Zahnmedizin und Archäologie. Im Studium der Archäologie bilden Rechtsmediziner Studierende praktisch in forensischer Anthropologie und Osteologie aus, demonstrieren also, wie historische Skelettfunde identifiziert werden können.
Die neue Vortragsreihe „Interdisziplinäre Rechtsmedizin“ stellt
das breite Aufgabenfeld der Rechtsmedizin vor, berichtet vom neuesten Stand der
Forschung – und klärt interessierte Laien über Mythen auf, die in Krimiserien
über das Metier produziert werden.
Die Vorlesungsreihe „Interdisziplinäre Rechtsmedizin“ wird
eröffnet
am 18.
April 2023, um 18:15 Uhr
mit dem
Vortrag
Tot ist
tot. Oder nicht? Thanatologie – die Lehre vom Tod und seinen Erscheinungen
von
Prof. Dr Marcel A. Verhoff und Prof. Dr. Jens Amendt,
beide
Goethe-Universität.
Die Vorträge finden statt jeweils dienstags am
Universitätsklinikum Frankfurt, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main,
Hörsaal 22-2.
Die Vorlesungsreihe behandelt die Basisthemen der Rechtsmedizin:
von Leichenöffnungen zur Klärung der Todesursache über toxische Analysen und
Abstammungstests bis hin zur DNA-Diagnostik an Spuren. Dabei spielen auch die Schwerpunkte
der Frankfurter Rechtsmedizin eine Rolle: etwa die forensische Osteologie,
also die Untersuchung und Beurteilung aufgefundener Knochen; ebenso die
Entomologie, deren Frankfurter Expertise bundesweit und darüber hinaus gefragt
ist - sie bestimmt das Alter von Insekten, die auf Leichen gefunden werden, um
Hinweise auf den Todeszeitraum zu erhalten; und schließlich die DNA-Analyse
beim plötzlichen Herztod: Wenn Autopsie und toxikologische Analysen keine
Todesursache erkennen lassen, kann die „molekulare Autopsie“, also die
genetische Analyse von Blutproben eines Toten auf ein angeborenes Risiko für den
plötzlichen Herztod hinweisen. Diese Erkenntnis hilft wiederum den Lebenden:
Nahe Verwandte eines am plötzlichen Herztod Verstorbenen können sich auf den
Gendefekt untersuchen und gegebenenfalls medikamentös behandeln lassen.
Überhaupt sind es die Lebenden, denen sich die klinische
Rechtsmedizin mit rund der Hälfte aller Untersuchungen zuwendet. „Das war doch
nur ein harmloser Sturz“: Dass Körperverletzungen aufgrund strafbarer
Handlungen wie häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung entstanden sind, kommt
oft erst nur durch rechtsmedizinische Analysen ans Licht. Manches wird dabei
nur erkannt, weil in Fallberichten die Erfahrungen früherer Fälle vorliegen.
Dass medizinische Fallberichte in seinem Fach inzwischen als veraltet und
überholt gelten, bedauert Verhoff. „Manche Fälle gibt es nur ein einziges Mal“
– ohne ihre minutiöse Rekapitulation gehe wichtiges Wissen verloren.
Im Verlauf der neuen Vortragsreihe werden nicht nur einzelne
Themen der Rechtsmedizin behandelt, sondern auch ihr Zusammenspiel bei Fallanalysen
aufgerollt: Begleitet wird ein Fall mit allen beteiligten Expertinnen und
Experten in einem ersten Schritt vom Tatort, der Spurensicherung bis hin zur
Obduktion; im zweiten Teil wird dann die Vernehmung über die Anklage, die
Hauptverhandlung bis zum Urteil verfolgt. Das Ende der Vortragsreihe bildet das
Thema „Rechtsmedizin in den Medien“, voraussichtlich mit einem prominenten
Vertreter der Zunft.
Die Vorträge im Einzelnen:
18. April
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, Prof. Dr. Jens Amendt
Tot ist tot. Oder nicht? Thanatologie – die Lehre vom Tod und
seinen Erscheinungen
25. April
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, PD Dr. Mattias Kettner, Dr.
Constantin Lux
Wenn Leichen sprechen: Was Leichenschau und Obduktion über die
Todesursache verraten
2. Mai
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, Frau Dr. Constanze Nieß
„Das war doch nur ein harmloser Sturz“! Häusliche Gewalt und
Kindesmisshandlung – die klinische Rechtsmedizin als Beweismittel
9. Mai
Prof. Dr. Richard Zehner
Möglichkeiten und Grenzen der forensischen DNA-Analyse
16. Mai
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, Frau Dr. Constanze Nieß
Wenn nur noch Knochen übrig sind – forensische Anthropologie und
Osteologie
23. Mai
Prof. Dr. Stefan Tönnes, PD Dr. Alexander Paulke
Zwischen Rausch und tödlicher Vergiftung: Nachweis und Beurteilung
in der Forensischen Toxikologie
30. Mai
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, Frau Prof. Silke Kauferstein
Von den Toten für die Lebenden: Wie Obduktionen Leben retten, u.a.
am Beispiel des plötzlichen Kindstodes und der Herzgenetik (Molekulare
Autopsie)
6. Juni
Prof. Dr. Markus Parzeller, Frau Dr. Natascha Kern
Der vergessene Tupfer nach einem medizinischen Eingriff - (K)ein
Behandlungsfehler?!
13. Juni
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff
Betrunken von einem Glas Sekt? Alkohol, unser „täglich Brot“
20. Juni
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff
„Der Strom kommt aus der Steckdose“, „der Ertrinkende reißt immer
die Arme hoch“ – Stromtod und Tod im Wasser
27. Juni
Dr. Constantin Lux
Die Verletzungen lesen – Formen der Gewalt; Schuss
4. Juli
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, PD Dr. Mattias Kettner
Interdisziplinärer Fall Teil I: Tatort, Spurensicherung,
Blutspuren, Obduktion
11. Juli
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, PD Dr. Mattias Kettner
Interdisziplinärer Fall Teil II: Vernehmung, Anklage,
Hauptverhandlung, Urteil
18. Juli
Prof. Dr. Marcel A. Verhoff
Dichtung und Wahrheit – Rechtsmedizin in den Medien
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Marcel A. Verhoff
Institut für Rechtsmedizin
Goethe-Universität
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