Rhein-Main-Forschungsverbund der Universitäten Frankfurt und Mainz untersucht die neuen Player Asien und Afrika
Wenn eine koreanische Boygroup weltweit von Millionen Fans gehört wird, wenn also Filme und Musik digital rund um den Erdball kreisen: was bedeutet dies für die Produktion für Kultur? Und welche Folgen hat das für die Wahrnehmung der regionalen Räume, in denen Kultur entsteht? Diesen Fragen geht ein interdisziplinäres Forschungsteam von Wirtschaftswissenschaften, Afrikanistik, Koreastudien, Sinologie, Ethnologie und Filmwissenschaft nach. Das Projekt von Goethe-Universität und Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) wird jetzt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für drei Jahre mit 2,1 Millionen Euro gefördert.
FRANKFURT. Es war
ein nigerianischer Händler von Heimvideorekordern mit seiner Amateurkamera, der
Anfang der neunziger Jahre den weltweiten Filmmarkt in Bewegung brachte: Um den
Verkauf der Rekorder anzukurbeln, drehte der Händler kurzerhand einen Film. Der
eigenproduzierte Thriller „Living in Bondage“ verkaufte sich überraschend eine
Dreiviertelmillion Mal und fand prompt zahlreiche Nachahmer. Nahezu aus dem
Nichts entstand in Nigeria in den folgenden Jahren eine Filmindustrie, die
heute – nach Indien – zu den zweitproduktivsten der Welt zählt. „Der
Aufstieg von Nigeria und die globalen Erfolge von koreanischen Filmen, TV-Serien
und Popbands im neuen Jahrtausend verändern die Landschaft der
Kulturproduktion, aber auch der Rezeption grundlegend“, so der Frankfurter
Filmwissenschaftler Prof. Dr. Vinzenz Hediger, der das neue Forschungsprojekt
leitet.
Ausgelöst wird die neue Weltordnung der Kulturproduktion durch die
Digitalisierung. Dabei interessiert die Frankfurter und Mainzer
Wissenschaftler:innen, inwieweit die neuen Kulturindustrien mit überregionaler
Reichweite zum Faktor wirtschaftlicher Entwicklung ihrer Herkunftsregionen werden.
Und sie fragen nach der Bedeutung von Region und Herkunft der
Kulturschaffenden: „Noch offen ist“, sagt die Frankfurter Management-Forscherin
Prof. Dr. Cornelia Storz, „ob Unternehmer in digitalen Industrien vielleicht
noch mehr als früher von lokalen Ressourcen abhängig sind“. Dabei ist vor allem
von Interesse, wie sie ihr kulturelles Erbe variieren und in immer neue, auch
globale Kontexte einbinden.
Diesen Fragen geht das interdisziplinäre und internationale
Forschungsprojekt anhand einer Reihe von Fallstudien zu Musik und Film in
Afrika und Asien nach. Eine besondere Rolle spielt dabei das Archiv der
Musik Afrikas (AMA) an der JGU Mainz - eine der weltweit bedeutendsten
Sammlungen von Aufzeichnungen afrikanischer Musik des 20. Jahrhunderts. Für die
Teilprojekte, die sich mit Musik befassen, stellt das AMA eine unschätzbare
Quelle dar – wie etwa für die Erforschung der als ‚Afrobeats' vermarkteten
nigerianischen Popmusik, die unterschiedliche Genres auf neuartige Weise
verbindet. „Auch im Globalen Norden hat sie bereits prominente Fans gefunden“,
erklärt der Mainzer Ethnologe Prof. Dr. Matthias Krings, „darunter Beyoncé, die
mit ihrem visuellen Album ‚Black is King' 2020 auch deshalb für Furore sorgte,
weil es Gastauftritte von Afrobeats-Stars wie Burna Boy, Wizkid, Tiwa Savage
und Yemi Alade enthält“.
Die Projektteile, die sich mit Asien befassen und dort etwa die
globale Zirkulation und Rezeption zeitgenössischer koreanischer Populärkultur
beleuchten, profitieren von engen Beziehungen zu außeruniversitären Partnern
wie dem Koreanischen Filmarchiv.
Das Teilprojekt zu Taiwan richtet den Fokus auf das Kaohsiung Film
Festival und seine Beziehungen zur koreanischen Filmproduktion. In Nigeria
schließlich kooperiert das Projekt mit dem Nollywood Study Center der Pan
Atlantic University in Lagos, einem film- und medienwissenschaftlichen
Forschungsinstitut mit engen Beziehungen zur nigerianischen Film- und
Musikindustrie.
Das BMBF-Förderprojekt bringt die Regionalstudien-Zentren im
Rhein-Main-Universitätsverbund erstmals in einem interdisziplinären
Forschungsauftrag zusammen – an der Goethe-Universität das Zentrum für
interdisziplinäre Afrikaforschung (ZIAF) sowie das Interdisziplinäre Zentrum
für Ostasienstudien (IZO) und an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz das
Zentrum für Interkulturelle Studien (ZIS).
Das Forschungsprojekt stärkt die Regionalstudien im
Rhein-Main-Universitätsverbund außerdem durch eine enge Verknüpfung mit der
Lehre: die Forschungsergebnisse des Projekts sollen in den Bachelor-Verbund-Studiengang
„Afrikanische Sprachen, Medien und Kommunikation“ einfließen, der sich gerade
im Aufbau befindet.
Bild: http://www.uni-frankfurt.de/98633989
Bildtext: Globale Popstars mit twitter-Fan-Armee: K-Pop Superstars BTS (c)
Kim-Hee Chu / dpa
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Vinzenz Hediger, Professor für Filmwissenschaft, Goethe-Universität
Frankfurt: hediger@tfm.uni-frankfurt.de
Prof.
Dr. Cornelia Storz, Professorin für Institutionen- und Innovationsökonomik mit
Schwerpunkt Ostasien, Goethe-Universität Frankfurt: storz@wiwi.uni-frankfurt.de
Prof.
Dr. Matthias Krings, Professor für Ethnologie und populäre Kultur Afrikas,
Johannes Gutenberg-Universität Mainz: krings@uni-mainz.de
Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, E-Mail p.barth@em.uni-frankfurt.de